Das Grünseelchen von Lohrhaupten
Station 4: Die Grenzsteine
So wie sie es von ihrem Großvater gelernt hatte, erzählte sie es nun ihrem Freund, ließ die Geschichte des Jahrhunderte alten Handelswegs bunt und vielfältig vor ihm auferstehen. Alexander schloss seine Augen und lauschte: Immer deutlicher konnte er es zwischen Lisa-Maries Worten heraushören – das donnernde Getrampel und das durchdringende Brüllen der Rinderherden, die bis von Ungarn nach Frankfurt auf den Viehmarkt getrieben wurden. Da war auch das Rumpeln unzähliger Ochsenkarren, mit denen die verschiedensten Waren wie Getreide, Gemüse, Früchte, Leinen, manchmal sogar Seide aus China, Zimt aus Indien, Gewürze aus Arabien und Waffen aus Damaskus von Ost nach West und umgekehrt transportiert wurden. Alexander vernahm das Schnaufen der Zugtiere an den Steigungen und das Ächzen der Fuhrleute, wenn sie in die Speichen der Räder griffen, um den Tieren zu helfen. Denn das Ziel für die nächste Rast der Karren und Wagen war längst nicht mehr Kloster Einsiedel, sondern die Zollstationen auf dem Schanzkopf.
Nach einer Weile erreichten die beiden die alten Grenzsteine. Einer trennte die vergangenen Königreiche Bayern und Preußen an der unsichtbaren Landesgrenze zwischen den heutigen Bundesländern Hessen und Bayern, die um Lohrhaupten herum verläuft. Immer noch vertieft in die Vergangenheit, setzten sie sich nebeneinander auf die Steine, weil Lisa-Marie noch viel mehr zu berichten wusste: Sie fing an bei einem kleinwüchsigen, aber umso ehrgeizigeren korsischen Adligen.
Fasziniert folgte Alexander der Schilderung, in die Lisa-Marie mehr und mehr französische Wörter einfließen ließ. Leise begann sie damit, eine Melodie zu summen, kurz darauf erklang ihre helle Stimme laut und ermutigend, und zusammen mit der Marseillaise erkannte Alexander den Gleichschritt der Soldaten.
Das Heer Napoleons marschierte an ihnen vorbei, getrieben von Befehlen, aber auch vom Hunger. Die Kinder erlebten vor ihren inneren Augen mit, wie das erste Bataillon spät in der Nacht auf dem Höhenzug heranrückte, vor allem auf der Suche nach Proviant, aber auch nach einem Platz zum Schlafen. Da war es um die hessische Schanz geschehen! Marodierende Soldaten trieben den Wirt aus seinem warmen Bett, so dass er barfuß – nur mit Nachthemd und Schlafhaube bekleidet – laut schreiend ins Tal nach Lohrhadde flüchtete. Nicht aber seine Magd, die der Feigling schutzlos zurückließ.
Elisabeth, eine dralle blonde Bauerntochter, war jedoch den Umgang mit ungehobelten Gästen längst gewohnt. Deshalb verbarg sie ihre Angst und begegnete den überraschten Soldaten mit neckischer Freundlichkeit, während sie eifrig half, auch noch die Schinken aus dem Kamin zu holen. Trotz des ganzen Tumults war ihr nicht entgangen, dass sich einer der Franzosen schweigend im Hintergrund hielt, wobei er sie jedoch keinen Moment aus den Augen ließ. So ein hübscher junger Mann!
Lisa-Marie beschrieb schwärmerisch, ohne ein einziges deutsches Wort dafür zu verwenden, dass er genau so aussah wie Alexander.
Laurent, so hieß der Fremde, spürte in dieser Nacht keinen Hunger mehr, seit er Elisabeth zum ersten Mal gesehen hatte. Er verzehrte sich vor brennendem Verlangen nach ihr. Als seine Kameraden satt und berauscht vom Apfelwein in und um die Schanz in den Schlaf gesunken waren, umfasste Laurent Elisabeths Taille und flüsterte ihr etwas ins Ohr, das sie dem Klang nach sogleich verstand, obwohl sie die Sprache nicht kannte. Ohne lange zu überlegen, ging Elisabeth mit ihm, als er auf einem Pfad abseits der Birkenhainer Straße den Weg zurück in seine Heimat einschlug.
Alexander und Lisa-Marie standen schon vor dem Zwillingsbaum neben dem Grenzstein, um selbst auch wieder nach Hause zu gehen, als Alexander seine Arme um Lisa-Marie legte. Leise dankte er ihr auf Französisch, schloss mit einem noch leiseren „je t’aime“ und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.
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